04 Apr
04Apr

Urban Fantasy



Prolog


Stadtmauer von Xin


»Sag es, Neon!«
»Nein«, entgegne ich und spucke Blut. Azriel packt mich an meinen Haaren und donnert mich erneut gegen die steinerne Mauer. Ich pfeffere ihm meinen Ellbogen unters Kinn.
Fluchend lässt er von mir ab. Als ich mich zu ihm drehe, spuckt er ebenfalls Blut. Atemlos stehen wir uns gegenüber und blicken uns hasserfüllt an.
»Arschloch!«, wirbelt er mir um die Ohren.
Mit meiner behandschuhten Hand wische ich mir über die Lippen.


»Woher wusstest du, wo ich bin?«, will ich wissen und hole Luft. Meine Kehle brennt und mein Gesicht schmerzt von Azriels festen Schlägen.
Er zuckt mit den Schultern. »Hat mir ein Vögelchen gezwitschert.« Seine blauen Augen funkeln feindselig.
»Nur zu gerne wüsste ich welches.«
Unsere Schwerter liegen auf dem dürren Boden und flirren golden im Licht der Sonne. Sein Schwert hat schöne verschnörkelte Muster an den Rändern der Klinge und meins hat die gleichen Muster am Griff.
Ich würde ihn am liebsten von oben bis unten aufschlitzen, kann ich aber leider nicht, er ist mein beschissener älterer Bruder.
Thronerbe der Krone von Xin.
Lieblingssohn.


Wir sind beide Anwärter der Krone, nur mit dem Unterschied, dass Azriel sich für etwas Besseres hält. Mir ist das egal, ob ich König werden kann, ihm nicht und er wird alles daran setzen, alles, dass nur er Anspruch auf sie hat.
Ich muss erneut Blut spucken. Verdammt, er hat beim letzten Schlag meine Nase gebrochen. Aber ich mache mir keine Sorgen, denn ich weiß, dass sie gleich wieder verheilt. Schließlich bin ich kein Mensch.



Kapitel 1


Stadt der Armen – Qaross bei der Schwalbenschlucht

Ich sitze in meinem kleinen Heim, welches sich aus einem Zimmer in den hinteren Räumen einer Schenke befindet, und schärfe mein goldenes Schwert. Kieran will nicht so viele Goldmünzen wie die Halsabschneider in dem Hotel nebenan.
Und ganz bestimmt würde er mich auch nicht an die Miliz verpfeifen, so wie meine Familie es tun würde. Der König und die Königin von Xin.


Ich muss ein ganz erbärmlicher Sohn sein, sonst hätten sie mich mit achtzehn Jahren nicht rausgeschmissen, nur weil ich noch nicht bereit war, eine Ehe mit der Prinzessin Mytra von Yhugas-City einzugehen. Die einzige aus meiner Familie, die ich vermisse, ist meine kleine Schwester Laina. Sie kennt mich jedoch nicht, denn sie wurde eine Woche vor meinem Rauswurf oder eher gesagt, meinem Verschwinden geboren. Ich ging, ehe sie mich offiziell rauswerfen konnten. In ihren Augen bin ich ein Verräter. Wie gerne ich Laina kennenlernen würde.
Wie sie wohl ist?


Hoffentlich hat sie keinen verdorbenen Charakter so wie Azriel. Mein älterer Bruder ist schon immer sehr zielstrebig gewesen und grausam. Als er fünf war, hat er Bienen in einem Glas gefangen genommen und ihnen die Flügel abgerissen. Dann hat er sie beobachtet und sie dann im Kamin verbrannt. Azriel kann gut mit Argumenten überzeugen und er setzt immer auf seinen unwiderstehlichen Charme und sein hübsches, perfektes Gesicht.
Seit knapp fünf Jahren kämpfe ich mich alleine durch und kann mich gerade so über Wasser halten. Klar könnte ich mein goldenes Schwert verkaufen, aber ich wollte wenigstens eine Sache aus meinem alten Leben behalten. Vor allem als Kopfgeldjäger brauche ich es. Ich trainiere jeden Tag mit meiner Partnerin hinter Kierans Schenke. Dort befindet sich eine Wiese, die an einen kleinen Wald grenzt. Als Kopfgeldjäger müssen wir fit sein.


Hier in Qaross ist das Leben hart aber dafür habe ich meine Freiheit. Kieran hält dicht und außer ihm und Lasa weiß niemand, wer ich wirklich bin, deswegen nennt mich hier jeder Avon. Für mich ist Kieran wie ein Vater.
Ich höre Schritte, die sich nähern, ein Klopfen an meiner Zimmertür.
»Ja, bitte!«, rufe ich.
»Hey, hast du Hunger?« Kierans gütige grünbraune Augen mustern mich durch den Türspalt, als ich aufblicke. Sein Blick bleibt dann an meinem Schwert hängen, welches in meinem Schoss ruht. Ich poliere es noch und ziehe es in die Lederscheide.
»Und wie, ich habe mir heute Morgen ein Brötchen für unterwegs geschnappt, mehr habe ich heute nicht gegessen«, sage ich und stehe auf. Ich hänge mir das Schwert an meinen Ledergürtel und wir gehen gemeinsam in Richtung des Gastraums. Wildes Durcheinandergerede und leise Musik dröhnen zu uns durch.
»Hast du Musiker arrangiert?«, frage ich, während ich Kieran durch den langen Korridor folge.


Er dreht sich kurzzeitig zu mir um. »Ja, diesen Monat läuft die Schenke gut.«
Die Musik wird lauter als wir in den Schankraum treten. Dudelsackmusik und fröhliches, ausgelassenes Tanzen. Jeder Tisch ist besetzt. Kerzen tauchen die Schankstube in eine warme Atmosphäre.
Mein Blick schweift auf meinen Stammplatz am Ende der Bartheke. Lasa sitzt dort und lässt sich ein Bier schmecken. Ihr hängen zwei Strähnen ihres blonden Haares ins Gesicht. Sie sieht müde aus.
Als Kopfgeldjäger schnappen wir mindestens zwei bis drei gesuchte Mörder oder Diebe und verfrachten sie mit einem Boot auf die Insel der Gefangenen – Kravoren. Sie liegt nur sieben Meilen von der Stadtmauer zu Xin entfernt, die sich hinter der Schwalbenschlucht befindet. Meistens sind es nur kleine Fische, die wir fangen, besser als gar nichts.
Lasa hat mir vor knapp fünf Jahren das Leben gerettet, als ich nach Qaross geflohen bin. Sie sammelte mich in einem Wald auf und stellte mich Kieran vor. Seit sie zwölf ist, ist sie hier und kämpft sich jeden Tag durchs Leben. Ihre Eltern wurden brutal in Yhugas-City vor ihren Augen hingerichtet. Kier hat sie aufgezogen, als einer seiner Freunde sie hier eines Tages absetzte. Wir sind quasi zusammen aufgewachsen. Ich war damals bereits achtzehn gewesen.
»Das wievielte Glas ist das?«, sage ich an Lasa gewandt und stelle mich zu ihr an die Bar. Sie wirft mir einen gleichgültigen Blick vom Hocker zu. »Quatsch nicht und iss, sonst wird dein Essen noch kalt.«
»Charmant wie immer«, füge ich hinzu und muss grinsen. Dabei merke ich, wie Lasa ihre Augen verdreht. Sie nimmt einen großen Schluck aus ihrem Holzbecher und begutachtet den Dudelsackspieler. Mit dem Handrücken wischt sie sich den Bierschaum von den Lippen.
Mein Blick heftet sich ebenfalls an ihn. Lange Haare, starker Körperbau, Bart.
»Genau dein Typ, oder?«


Lasa zuckt mit den Schultern. »Wüsste nicht, was es dich angeht.«
»Ich sehe doch wie du sabberst. Au« Sie hat mir tatsächlich einen Ellbogen in meine Eier gerammt. Es fühlt sich an wie ein Stromschlag, der meine Eier pellt. Ich will sterben und krümme mich, hole Luft durch die Zähne. Alles dreht sich und mir wird kurzzeitig schummerig. Ich blinzle.
»Klappe«, fügt sie ernst hinzu. »Stirb leise.«
Ich schnappe nach Luft.
»Dein Essen wird kalt«, wiederholt sie.
»Ja, ja«, japse ich. Es dauert ein wenig, bis ich mich wieder gerade hinstellen kann. Ich setze mich lieber. Auf meinem Teller, der vor mir auf der Theke steht, liegen zwei Kartoffeln und ein Stück Fleisch. Gierig schaufele ich das bisschen Essen in mich hinein und lösche den Durst mit einem großen Schluck Bier. Es sättigt beinahe mehr als das Essen selbst.
Kierans Bier schmeckt am besten von allen hier in Qaross. Die anderen Schenken oder Bars, wie sie heute genannt werden, sind kleiner und das Bier schmeckt meistens nach warmer Pisse. Zumindest stelle ich mir den Geschmack von warmer Pisse so vor.


Jeden Abend essen wir hier und jeder Abend spielt sich beinahe gleich ab. Wenn Lasa keinen Musiker findet, dann wird es eben ein Milizbeamter. Die hängen hier ab und an rum. Bisher hatte ich Glück und keiner hat mich erkannt. Ich weiß auch, dass ich mich auf dünnem Eis bewege. Das Leben wäre doch sonst langweilig.
Lasa leert ihr Glas, klopft mir auf mein Knie und sagt: »Genieß den Abend und bis morgen dann.« Sie steht auf und läuft rüber zu dem Dudelsackspieler. Der macht gerade Pause und nun spielt jemand eine Balalaika und singt ein melodramatisches Lied.
Der Bärtige und Lasa verschwinden nach hinten in ihr Zimmer, welches im langen Flur, gegenüber meinem liegt. Sie ist viel zu gut für diese schmierigen Typen, aber wenn ich ihr das sage, verprügelt sie mich oder spricht tagelang nicht mit mir.
Dabei hätte sie jemand viel Besseres verdient. Der Gedanke lässt mich schnauben. Ich will mich wieder zurückziehen, morgen wird nämlich ein langer Tag, da setzt sich unerwarteterweise ein junges Mädchen neben mich.
»Du hast aber schöne Augen!«, sagt sie und blickt mich lächelnd an.


Älter als fünf ist sie nicht. Sie trägt ein Leinenkleid in königlichem Blau und einen dunklen Umhang mit goldenen Borten. Ihr langes, dunkelblondes Haar wird mit einer kobaltblauen Schleife zusammengehalten.
Ich lächle zurück. »Du aber auch.« Ungelogen. Ihre Augen funkeln bronzefarben. Ich habe noch nie solche Augen gesehen.
»Laina, komm!«, ruft eine Stimme.
Beim Klang des Namens stellen sich bei mir alle Nackenhaare auf. Aber das kann nicht sein!
Das Mädchen streicht mir über meine Hand, ihre Berührung hinterlässt ein warmes Kribbeln auf meiner Haut. Dann läuft sie weg. Ich kann ihr kaum mit meinen Augen folgen, sie ist flink wie ein Blitz. Ich sehe nur, wie eine hochgewachsene Gestalt in einem dunklen Mantel mit ihr aus der Schenke verschwindet. Ich erhebe mich, um besser sehen zu können, und entschließe mich hinterherzulaufen.
Als ich an die frische Luft trete, ist dort niemand, außer einem Dutzend Pferden, die vor der Bar angebunden worden sind. Es ist kalt draußen.
Ich blicke in den Nachthimmel. Ein Blutmond. So ein Mist – die Nacht der Halluzinationen, der Hexen und Zauberer. Der Ruf eines Falken im Hintergrund lässt mich schaudern.


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Deine Alex

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